10. Kammermusikkonzert - Voces Suaves & Capricornus Consort Basel
Voces Suaves & Capricornus Consort Basel
10. Kammermusikkonzert
Voces Suaves
Das Basler Vokalensemble Voces Suaves pflegt die historisch informierte Aufführungspraxis von Musik der Renaissance und des Barock in solistischer Besetzung. Das 2012 von Tobias Wicky gegründete Ensemble besteht aus einem Kern von acht professionellen Sänger*- innen, von denen die meisten einen Bezug zur Schola Cantorum Basiliensis haben. Seit 2016 arbeiten die Ensemblemitglieder ohne einen festen musikalischen Leiter und erarbeiten ihre Programme im Kollektiv. Einladungen führten und führen Voces Suaves zu bedeutenden Festivals in ganz Europa, u. a. zum Festival d’Ambronay, Ravenna Festival, Festival Oude Muziek Utrecht, an die Staatsoper Berlin und zu den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.
Capricornus Consort Basel
Seit seiner Konstituierung in 2006 widmet sich das Capricornus Consort Basel vorrangig seltenen und solistisch zu besetzenden Werken des Barocks und Hochbarocks, vermag aber seine Kerngruppe für spezielle Projekte auch bis zur vollen Orchestergrösse zu erweitern.
Der Primgeiger, Gründer und künstlerische Leiter Peter Barczi schart im Capricornus Consort Basel eine Gruppe von Musikerinnen und Musikern um sich, deren gegenseitige künstlerische Verbundenheit meist schon auf Freundschaften aus der Studienzeit an der Schola Cantorum Basiliensis zurückgeht. Ihren musikalischen Zusammenhalt finden die Mitglieder des Ensembles aber nicht zuletzt in der anhaltenden Übereinstimmung, was die speziellen und viel diskutierten Anforderungen an Interpreten im Umgang mit Alter Musik betrifft.
Voi ch’ascoltate – Petrarca in den Augen von Claudio Monteverdi und seinen Vorbildern
Unter den drei grossen Dichtern, die das aufblühende Norditalien im 13. Jahrhundert hervorgebracht hat, findet sich neben Dante Alighieri, dem Visionär höllischer Schreckensvisionen und himmlischer Sphären, und Giovanni Boccaccio, dem Verfasser des schelmisch spöttischen Decamerone, das zutiefst menschliche Genie Francesco Petrarcas. Es ist die Geburtsstunde des Humanismus und der Renaissance, die sich mit seinem Namen verbindet.
Programmatischer Kern dieses Konzertes sind die sechs Petrarca-Vertonungen Claudio Monteverdis. Ergänzt werden sie um Madrigale jener Alten Meister, die Monteverdi massgeblich beeinflusst haben. Zu ihnen zählen Cipriano de Rore, Giaches de Wert sowie Luca Marenzio, in deren Schaffen das Madrigal als mehrstimmige, weltliche Form der Vokalmusik eine zentrale Stellung einnimmt.
Cipriano de Rore entstammte einer wohlhabenden flämischen Familie. 1546 wurde er Kapellmeister am Hof Herzog Ercole II. de Este in Ferrara. Giaches de Wert war vermutlich zeitweise Schüler de Rores und wirkte seit 1565 als Kapellmeister in Mantua, Monteverdis späterer Wirkungsstätte.
Imitatorisch geführte Passagen wechseln sich in den Madrigalen dieser Komponisten mit deklamatorisch freien Abschnitten und rhythmisch homophonen Passagen ab. Auf diese Weise werden die Textinhalte mit musikalischen Mitteln vielfältig ausgedeutet. Erkennbar ist dabei ein zunehmend «freiheitlicher» Umgang mit dem Regelwerk, der sich in ungewöhnlichen Fortschreitungen, chromatischen Zwischenschritten und Kontrasten äussert.
Diese Bestrebungen nach kompositorischer Freiheit münden Ende des 16. Jahrhunderts in einen grundlegenden Paradigmenwechsel: Bestimmung der Musik ist es künftig, «Dienerin» des Wortes zu sein. Sie folgt also dem Affekt und Inhalt des Textes und verstösst stellenweise bewusst gegen tradierte Satzregeln. Scharfe Dissonanzen, abrupte Brüche und starke Gegensätze sind die Essenz dieses stilistischen Wandels. Als «seconda prattica» geht die neue Kompositionsweise in die Geschichte ein.
Was in «Zefiro torna» als heitere Frühlingsvision beginnt, endet unvorhersehbar im Schmerz des Alleingelassenen, der seine irdische Einsamkeit beklagt: Zu den Schlussworten «sono un deserto e fere apre e selvaggie» reiht Monteverdi kühne Dissonanzen, die auch heute noch, nach gut vierhundert Jahren, abgründig und über-aus modern wirken. Ähnlich kontrastreich angelegt ist «Ohimè, il bel viso». Auch hier geht es um den Verlust einer geliebten Frau, auch hier werden Schlüsselworte kunstvoll inszeniert.
«Hor che’l ciel e la terra» und «Vage augelletto» finden sich in Monteverdis achtem Madrigalbuch, das zum einen kriegerischen, zum anderen amourösen Themen gewidmet ist. Wenn Himmel und Erde «schweigen», dann geschieht dies durch statische Repetitionen. Das «Wohlbefinden» des lyrischen Ichs wird am Ende durch einen aufwärtsstrebenden Spannungsbogen versinnbildlicht. Und auch das «liebliche Vöglein» steht ganz im Gegensatz zu Klage und Trauer.
Zwei letzte Petrarca-Vertonungen finden sich in Claudio Monteverdis Selva morale e spirituale, einer Sammlung geistlicher Musik, die 1641, nur zwei Jahre vor seinem Tod, in Venedig erschien. «O Ciechi, il tanto affaticar che giova» und «Voi ch’ascoltate» sind beide als «Madrigale morale à 5 voci & due violini» ausgewiesen. Stilistisch bilden sie eine Art goldene Mitte zwischen geistlicher und weltlicher Musik. Als Spätwerke bringen sie Monteverdis Genie noch einmal zu voller Entfaltung.