Sie klatschen die Oper auf Elektro
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Sie klatschen die Oper auf Elektro

Musik Experimental
Veröffentlicht am 19.03.2024
Tabea Andres
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In der Werkstatt für Improvisierte Musik (WIM) Bern spielt das vierköpfige Ensemble NoRest!. Zustandegekommen an der Hochschule der Künste Bern, bringt die Verbindung der jungen Musiker*innen mitreissend-skurrile Klanglandschaften hervor. Hier finden Einflüsse aus Oper, Jazz, elektronischer Musik und Klezmer zusammen. Das klingt schaurig – und schön.

Sind das Geister, die leise heulen? Stimmen aus dem Reich der Toten? Stecken wir vielleicht mitten im Soundtrack für «Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche», dem schaurig-schönen Stop-Motion-Film von Tim Burton? Auf jeden Fall wird da auch mal gemurmelt, gewispert und hörbar ins Mikrofon geatmet, wenn das Ensemble NoRest! improvisiert. Es knackst verdächtig und unheimlich sind die Klagelaute, die Rebecca Minten ihrer Bassklarinette entlockt, während Paola Lepori eine leise Melodie am Klavier spielt. Die sucht sich gerade noch ihren Weg, wird dann durch ein atmosphärisches Brummen ersetzt, das wiederum unheilvollen Drones weicht.

Technoide Gegenwarten

Die Geister der Vergangenheit transformieren NoRest! jetzt in die elektronischen Gefilde einer technoiden Gegenwart: Luz González spielt Vocals ein. «But it does» wiederholt eine verfremdete Stimme, oder «I don't need sound». Und dann gelangt Sarah Gos' Opernstimme über das analoge und digitale Klang-Hybrid in schwindelerregende Höhen.

Mit improvisierter Musik ist das so eine Sache: Easy Listening erwarten wir erst gar nicht, aber trotzdem brauchen gerade unerfahrene Hörer*innen zuweilen eine Extraportion Offenheit (und Nerven), um auch dann dranzubleiben, wenn sich schiefe Töne und Kakofonien ihren Weg bahnen.

Das ist beim Ensemble NoRest! ziemlich anders. Man mag sich nicht satthören an diesen teils skurrilen und anziehenden Sound-Kulissen. Aber auch hier ist auf etwas Verlass: Bevor das Spiel zu einlullend wird, reisst ein einzelner Ton oder ein unerwarteter Einsatz von Gos klarer Stimme zurück in die gegenwärtige Situation.

Ein Abend, zwei Auslotungen

Die vier Musiker*innen Rebecca Minten, Paola Lepori, Luz González und Sarah Gos haben sich an der Hochschule der Künste Bern kennengelernt. Unterschiedlichste Einflüsse aus Oper, Jazz, elektronischer Musik und Klezmer brachten sie in einem Workshop ihrer Dozentin, der Komponistin und Musikerin Franziska Baumann, ein. 2020 formierten sich NoRest!, auch heute noch ist Baumann externe Mentorin.

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Manuel Künzi, Christian Weber und Christoph Erb (v. l. n. r.) loten in der freien Improvisation Klang-Grenzen aus. © U. Althaus

Am Konzertabend in der Werkstatt für Improvisierte Musik (WIM) Bern erkunden auch Erb/Weber/Künzi neue Sound-Territorien. Das Trio besteht aus Christoph Erb, der das Saxofon und die Bassklarinette spielt, dem Kontrabassisten Christian Weber und dem Schlagzeuger Manuel Künzi. Welche musikalischen Habitate die drei Musiker und Klangforscher mit ihrem unmittelbaren Spiel untersuchen, steht natürlich noch offen. Einnehmend wird das auf jeden Fall.

// Raum 013 im Progr, Bern

Fr., 5.4., 20 Uhr 

www.wimbern.ch

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Tabea Andres
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