Queer, fluid und verknallt auf Töfflitour
Im Tojo Theater ist das interdisziplinäre Stück «Horizon Pluton» zu sehen. Es erzählt vom Aufwachsen als genderfluide und lesbische Person auf dem reaktionär geprägten Land. Die Liebesgeschichte von Milla und Mado spielt sich in Feldern und auf einem Töffli ab und basiert auf der Autofiktion von Alice Oechslin.
Wie ist es, trans oder lesbisch zu sein und auf dem Land aufzuwachsen? Alice Oechslin weiss es. Er wurde in einem Dorf in der Waadt gross und schrieb ein Buch darüber: «Horizon Pluton. Récit d’une gouine des champs» heisst es, frei übersetzt: «Bericht von einer Lesbe vom Land». Eine Autofiktion, in der Oechslin eigene Erfahrungen mit dem Roman «Le Milieu de l’Horizon» von Roland Buti vermischt. Er handelt von einem Jungen und seiner ersten Liebe – und von seiner Mutter, die sich in eine Frau verliebt und schliesslich aus dem ländlichen Kaff in die Stadt flüchten muss. Oechslin hat die Geschichte positiver schreiben wollen. Und «ohne den male gaze».
Entstanden ist so die Geschichte von Milla und Mado, die in den Feldern gemeinsam spielen, sich schliesslich verlieben und erste sexuelle Erfahrungen machen. Mit der Bühnenadaption des Texts macht die Compagnie Pluton, bestehend aus Alice Oechslin und Ulysse Berdat, nun Halt im Tojo Theater.
In der Tracht oder am Töggelikasten
Milla, die vom Fussballteam der Jungs ausgeschlossen wird, findet in Mado jemanden, der*die ebenso wünscht, zum Pluto gehen zu können – denn dort müssten sie kein Geheimnis aus ihren Gefühlen füreinander machen.
«Horizon Pluton» zeigt die Zerrissenheit einer queeren Kindheit in einem reaktionären Umfeld – so spielen Milla und Mado auch mal mit einer Berner Tracht. Das Stück ist weniger als Theater im klassischen Sinne zu verstehen, vielmehr kommen hier unterschiedliche performative Spielweisen auf die Bühne. Mal nutzen Oechslin und Berdat, die sich im Kunststudium in Genf kennenlernten, Pantomime, sie singen oder dann schauspielern sie mit ihren Händen, auf deren Rücken die Gesichter von Milla und Mado mit Filzstift aufgekritzelt sind. Das kann auch mal lustig sein.
Gegen Ende wirds dann auch übernatürlich, so viel sei gesagt über das Stück, das vom Einsatz von Video und vielen Requisiten lebt, etwa dem Töffli, auf dem die Figuren durch die Landschaft fahren, einem Töggelikasten oder einer Flöte.
Mit der Autofiktion hat Oechslin Schmerzhaftes in etwas Gutes transformiert: «Horizon Pluton erzählt auch eine Liebesgeschichte, wie ich sie für mich gewünscht hätte», so der Künstler.
Artikel des/derselben Autor:in
