Lust und Last des Erbens
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Lust und Last des Erbens

Ausstellungen & Kulturerbe Im Gespräch
Veröffentlicht am 21.11.2024
Susanne Leuenberger
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Der Ausstellungsparcours «Hilfe, ich erbe!» nähert sich dem, was unsere Vorfahren uns mit auf den Weg geben. Lebenshilfe für ungewollte Hinterlassenschaften inklusive. Und mit einigen überraschenden Erbstücken, wie Andy Hochstrasser vom Berner Generationenhaus verrät.

Was können wir übers Erben lernen, was wir zuvor nicht wussten?

Andy Hochstrasser: Wie vielfältig das Erben ist! Beim Stichwort Erben denken wir meist erst ans Haus oder ans Bankkonto. Doch eigentlich geht’s um mehr als das: Auch Traditionen oder die Augenfarbe gehören dazu. Uns interessiert schlicht alles, was von Generation zu Generation weitergegeben wird. Dazu lassen wir unter anderem Fachleute aus der Psychologie, der Genetik und aus dem Recht zu Wort kommen.

Welche Erbschaft hat Sie persönlich überrascht?

Die Erkenntnisse des Archäogenetikers Johannes Krause! Er erklärt in der Ausstellung, dass wir Menschen in Europa noch Neandertalergene in uns tragen. Diese Gene können bei heutigen Menschen dazu führen, dass sie schneller von Tabak abhängig werden als Menschen, die sie nicht haben. Das ist erstaunlich. Denn Neandertaler kannten ja noch gar keinen Tabak.

Gibt es in Ihrer Ausstellung auch wertvolle Stücke zu sehen?

Die britischen Kronjuwelen stellen wir nicht aus, wohl aber Objekte, die eine Geschichte erzählen. Wir zeigen etwa einen Fingerring, den uns eine Familie zur Verfügung stellte. Mit ihm hat es eine besondere Bewandtnis. So prangt auf dem Ring kein gewöhnlicher Edelstein, sondern die zum Diamanten verfestigte Asche einer Verstorbenen aus dem Bekanntenkreis. Das erfuhren die Erb*innen aber erst, nachdem sie den Ring jahrelang getragen hatten.

«Nachlässe können wir leider nicht vermitteln. Aber immerhin Inspiration zum Umgang mit dem eigenen Erbe.»
— Andy Hochstrasser, Berner Generationenhaus
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Nicht immer erschliesst sich ein Erbe auf den ersten Blick: Die Ausstellung zeigt auch ungewohnte Stücke aus dem Familiennachlass. © Rob Lewis

Ich weiss jetzt nicht, ob ich das eklig oder lustig finden soll.

Erben ist oft beides: Privileg und Last. Deutlich wird das auch in den Filmporträts von Simon Baumann. Der Seeländer Dokumentarfilmer zeigt darin sieben Menschen, die erbten. Da ist etwa eine Person, die einen künstlerischen Nachlass erbt. Oder ein Mann, der in elfter Generation eine Weinhandlung übernehmen soll, dies aber nicht möchte.

Gibt es bei Ihnen eine Sammelecke für ungewollte Erbschaften?

Es gibt immerhin eine sinnbildliche Entsorgungsstelle in der Ausstellung. Und ausserdem Stationen, die Lebenshilfe bieten. Die Psychologin Felizitas Ambauen, bekannt vom Podcast «Beziehungskosmos», thematisiert etwa, wie wir geerbte Verhaltensmuster loswerden können, die uns das Leben erschweren. Und Rechtsberaterinnen vom «Beobachter» erklären, ob und wie ein Erbe ausgeschlagen werden kann. Wir fragen aber auch aus ethischer Perspektive, ob Erben eigentlich gerecht ist.

Und was, wenn ich gerne mehr erben würde?

Nachlässe können wir leider nicht vermitteln. Die Ausstellung bietet aber viel Inspiration für den Umgang mit dem eigenen Erbe.

«Hilfe, ich erbe!»

Die Ausstellung im Berner Generationen wartet mir einer Sammlung von über 250 Zitaten, Fakten und Anekdoten zur Vielfalt des Erbens auf. So wird vermittelt, dass in der Schweiz pro Jahr doppelt so viel Geld vererbt wird wie AHV-Gelder ausbezahlt. Und dass nicht nur Menschen ihr Rhythmusgefühl von ihren Eltern erben, sondern auch Ratten. Zahlreiche Begleitveranstaltungen vertiefen im Verlauf der Ausstellung in einzelne Aspekte des Stationenparcours.

// Berner Generationenhaus

Ausstellung bis am 26.10.2025

www.begh.ch

Artikel des/derselben Autor:in
Susanne Leuenberger
Susanne Leuenberger
Redaktionsleiterin

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