«Leise schreiben kann ich nicht»
Die Liebe ist ein zeitloses Thema, die Beschäftigung damit unerschöpflich. Im Elfenaupark findet ein Trio zusammen, dass unterschiedlicher nicht sein könnte: Dies sind die Violinistin Gwendolyn Masin, der Pianist Simon Bucher und die Autorin Meral Kureyshi. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Liebe, die sie in der Performance «… über Liebe und andere Geschichten» behandeln. Im Gespräch mit der BKa erzählt Meral Kureyshi von Heartbreaks und Musik dazu.
Meral Kureyshi, Sie stehen erstmals in der Formation mit Gwendolyn Masin und Simon Bucher auf der Bühne. Warum haben Sie drei sich für die Liebe entschieden?
Meral Kureyshi: Das war schon von Anfang an klar. Liebe ist ein zentrales Element unseres Schaffens. Es geht doch immer um Liebe. Das soll nicht heissen, dass sie ständig präsent ist. Liebe ist etwas, dem man nachjagt oder von der man gejagt werden möchte. Weil es schmeichelt, bestätigt und süchtig macht – doch es passiert nicht so oft.
Sind Sie sich denn einig hinsichtlich der Liebe?
Wir sind uns fast nie einig. Genau das machte die Zusammenarbeit spannend. Ich finde Einigsein total anstrengend und langweilig. Ich würde auf keinen Fall mit Menschen zusammenarbeiten wollen, die sich nur gegenseitig bejahen. Es braucht Dilemma, Konflikt, Desaster.
Und welche Art von Performance ist so entstanden?
Manchmal läuft nur Musik, manchmal schreie ich etwas rein, manchmal rede nur ich und manchmal passiert alles auf einmal. Die Performance ist ein Chaos, da auch Liebe Chaos ist. Wir versuchen, irgendwie Ordnung zu schaffen. Das gelingt uns jedoch nicht und wir verzweifeln im Durcheinander. Genau diese Ambivalenz wollen wir vermitteln. Es ist auf keinen Fall eine klassische Lesung begleitet von Musik, das gibt es schon reichlich. Wir hatten nicht den Anspruch, dass unsere Kunstform eigenständig Raum nehmen muss, ob Text oder Klang. Es soll sich alles vermengen.

Was machen Sie, wenn Sie Liebeskummer haben?
Ich bin Masochistin. Bei einem Heartbreak höre ich bewusst die Musik, die mich noch mehr runterzieht. Ich mache mich noch trauriger, leide, weine und romantisiere dabei diese Melancholie, weil sie etwas Schönes hat. Das soll auch im Stück rüberkommen.
Sie lesen in der Performance aus Ihrem Roman «Fünf Jahreszeiten» vor. Wie passt der Text zur Musik?
Einerseits eignet sich der Text, weil ich fragmentarisch schreibe und einzelne Auszüge für sich alleine stehen können. Im Prozess mit Gwendolyn Masin und Simon Bucher haben wir verschiedene Elemente neu verbunden und die Texte neu konzipiert. Wir werden dabei immer freier und improvisierter, je länger wir das machen. Andererseits schreibe ich sehr rhythmisch. Wenn ich schreibe, muss ich es immer laut vorlesen. Ich schreibe laut. Leise schreiben kann ich nicht. Deswegen habe ich auch Wörter als mein Instrument gewählt, weil es mir am besten gelingt, etwas zu beschreiben, das eigentlich nicht fassbar ist. Ich habe grundsätzlich ein riesiges Mitteilungsbedürfnis. Ich bin schon als Fünfjährige auf den Tisch gestanden und habe Gedichte rezitiert.
Woher kommt dieses Mitteilungsbedürfnis?
Ich habe den Drang, verstanden zu werden. Oder es ist vielmehr die Angst, eben nicht verstanden zu werden. Ich denke, das hat sehr viel mit meiner Sprachlichkeit zu tun. Ich habe mit 10 Jahren Hochdeutsch und mit 18 Jahren Schweizerdeutsch gelernt. Es ist eine Angst, die ich nicht mehr loswerde und die sich in meine Sprache und in mein Schaffen eingeschlichen hat. Ich habe aber nicht die Erwartung, dass alle mich verstehen. Was für mich zählt, ist, dass es mich bewegt. Ich mache auch nicht weiter, wenn ich nicht denke, es ist das Beste auf der Welt. Und das meine ich nicht im Vergleich, sondern im Sinne von: Ich mache immer das Beste, was ich kann. Das war auch in der Zusammenarbeit mit Gwendolyn Masin und Simon Bucher so.
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