«In der Schweiz gibt’s fast so was wie eine ‹Gotthelfitis›»
Die Emmentaler Liebhaberbühne zeigt «Anne Bäbi im Säli»: ein humorvolles Stück über eine Laientheatergruppe, die Gotthelf aufführen möchte und ins Chaos stürzt. Das Theater im Theater inszeniert Ulrich Simon Eggimann.
«Wie zu Gotthelfs Zeiten» wird meist gleichgesetzt mit «gute, alte Zeit». Dass die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts keinesfalls nur idyllisch war, wusste der Schweizer Pfarrer Albert Bitzius, der unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf publizierte, am besten. So beschrieb Gotthelfs Realismus den schonungslosen bäuerlichen Alltag. Auch seine beliebte Romanfigur, die charakterstarke Emmentaler Bäuerin Anne Bäbi Jowäger hat einen ernsten Hintergrund, entsprang gar einer Streitschrift gegen «Quacksalberei»: Ihr Sohn Jakobli leidet an Pocken und stirbt fast, weil sie ihm die Impfung verwehrt hat.
Mit Hang zur Bösartigkeit
«Anne Bäbi Jowäger ist eine Überfrau mit Hang zur Bösartigkeit. Eigentlich möchte sie Jakobli vor allem beschützen. Aber wie wir wissen, kommt das selten gut», meint Ulrich Simon Eggimann. Der Schauspieler, Opernsänger, Dozent und Autor inszeniert «Anne Bäbi im Säli» mit der Emmentaler Liebhaberbühne, bei der er seit 1995 als Regisseur tätig ist. Die neueste Produktion ist quasi ein Stück im Stück nach dem Schriftsteller Beat Sterchi. Es dreht sich um eine Laiengruppe, die besagte Anne Bäbi im Saal des Restaurant Ochsen inszenieren möchte, denn «dr Gotthälf het scho immer zoge», wie es im Text heisst. Das könne er bestätigen, meint Regisseur Eggimann, und spitzt zu: «In der Schweiz gibt’s schon fast so etwas wie eine ‹Gotthelfitis›».

Klischees in Mundart
Die Inszenierung bleibt oft nahe an Sterchis Vorlage und zeigt etwa, wie das Ensemble schon bei der Rollenverteilung in Konflikt gerät. Eggimann hat dabei Handlungsstränge modernisiert. Das humorvolle Stück dreht sich auch um «Gotthelfklischees» und den Umgang mit Dialektsprache. Obwohl Gotthelf selbst – auf Anraten seines Verlegers – meist nur Ausdrücke, die es in Schriftdeutsch nicht gab, in Dialekt wiedergab, würden heute viele Gotthelf-Inszenierungen ganz in Mundart erarbeitet, so Eggimann. Damit konfrontiert sieht sich in «Anne Bäbi im Säli» etwa eine ukrainische Serviceangestellte, verkörpert durch Viktoriia Paramonova. Und die Regisseurin im Stück, sie kommt aus dem Süden Deutschlands und spricht schwäbisch: «Nicht ganz einfache Voraussetzungen, um Gotthelf zu inszenieren», lacht Eggimann.
// Casino Theater Burgdorf
Premiere: Fr., 15.11., 19.30 Uhr
Vorstellungen bis 24.11.
// Rüttihubelbad, Walkringen
Di., 31.12., 17 Uhr
Vorstellungen bis 26.1.2025