«Einen pädagogischen Eifer habe ich nicht»
Lena, die im Sportunterricht stets als letzte gewählt wird, verkündet plötzlich lauthals, sie werde vom Dreimeter-Sprungbrett springen. Ob sie den Mut dazu aufbringt? Der Berner Dramaturg und Theaterautor Andri Beyeler schrieb das Libretto für die Kinderoper «Spring doch» von Gordon Kampe. Nachdem sie 2022 in München uraufgeführt wurde, kommt das Stück mit mehrheitlich neuer Besetzung und in der Regie von David Bösch zu Bühnen Bern. Im Interview mit der BKa spricht Beyeler, Literaturpreisträger 2023 des Kantons Bern, über den Entscheid, für die Oper zu schreiben – die ihm eigentlich gar nicht nahe ist.
Andri Beyeler, bis anhin haben Sie vor allem in Prosa fürs Theater geschrieben. «Spring doch» ist Ihr erstes Libretto. Wieso dieser Wechsel?
Andri Beyeler : Das ist Zufall. Die Bayrische Staatsoper hat mich angefragt. Ich wollte erst nichts damit zu tun haben. Ein Freund hat mich dann überzeugt, wenigstens mal zuzuhören. Schliesslich nahm ich den Auftrag unter der Bedingung an, mich nicht intensiv in diese Aufführungspraxis vertiefen zu müssen und einfach mal losschreiben zu können.
Mögen Sie denn keine Oper?
Ehrlich gesagt, nein. Nicht zuletzt aufgrund meiner mangelnden Kenntnis. Ich glaube, vor «Spring doch» war die einzige Oper, die ich besucht habe, eine Adaption eines meiner Theaterstücke.
Worin liegt denn dann der Reiz, ein Libretto zu schreiben?
Naja, es ist doch auch in Ordnung, an einem Projekt mitzumachen, für das andere Beteiligte mehr Leidenschaft aufbringen können als man selbst. Es ist erstaunlich zu sehen, wie dann ein Komponist, in diesem Fall Gordon Kampe, Musik zum Text schreibt. Ich hatte einfach Lust auf den Stoff, die Form der Aufführung war für mich zweitrangig.
Reden wir also über den Stoff: Statt auf eine fantastische Märchenwelt setzen Sie auf Ernstes wie Mobbing und Gruppendruck. Ist das kinderfreundlich?
Es geht um viel mehr, etwa um Überwindung und um Empathie. Das beschäftigt auch Erwachsene – ich will nicht nur für Kinder bis zu einem gewissen Alter schreiben. Ich denke, Menschen aus verschiedenen Altersgruppen können etwas mit der Handlung anfangen. Ich setze mich mit der Welt auseinander und finde, das können wir durchaus auch Kindern zumuten.

Dass Sie nicht verniedlichen, liest sich auch im Libretto: Lena fährt schwarz Bus, um ins Freibad zu kommen, sie begegnet rauchenden Jungs und ruft auch mal laut «Scheisse!».
Ich war schon immer offen dafür, Theater für Jugendliche und Kinder zu schreiben. Das bedeutet aber nicht, dass ich einen pädagogischen Eifer habe – ganz und gar nicht. Ich denke, das Publikum schätzt es, wenn es ernst genommen wird. Und ich bin halt schon eher ein Realist.
Fühlen Sie sich Ihrer Protagonistin Lena verbunden?
Einen direkten persönlichen Bezug gibt es nicht. Aber das Gefühl, als Letzter auf der Bank zu sitzen, wie Tocotronic so schön singt, kenne ich schon auch.
Sie haben für «Spring doch» 2023 den Literaturpreis des Kantons Bern gewonnen. Den Auftrag fürs Libretto erhielten Sie aus dem Ausland. Bringt Ihnen der Preis nun mehr Arbeit an Berner Theaterhäusern ein?
Schwierig zu sagen. Bis jetzt hätte ich davon zumindest noch nichts gespürt.
Sie sind zwar nicht der grösste Opernfan, aber «Spring doch» werden Sie sich ansehen, oder?
Klar, ich gehe da immer mit Neugier darauf zu. Ausser der Hauptdarstellerin, der Sopranistin Anna-Lena Elbert, ist das Ensemble in Bern neu, auch die musikalische Leitung ist nicht die gleiche wie in München, in Bern übernimmt dies Artem Lonhinov. Und Bühnen Bern haben neu auch einen eigenen Kinderchor, der mitsingen und mitspielen wird. Die Umsetzung des Stoffs von anderen Kunstschaffenden, das kann richtig flashen.
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